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About Block II

Ein Moment in meinem Leben als Teenager:

Es war ein sonniger Morgen im Frühsommer und das Thermometer zeigte 21 Grad. Ich ging aus dem Haus und am Weg zur Straßenbahn dachte ich: „Wie weit werde ich es diesmal schaffen, bis es wieder zu rinnen beginnt?“ Bei der Haltestelle gab es keinen Schatten und so stand ich in der Morgensonne. Alle um mich schienen das zu genießen. Nach dem Einstieg wählte ich die Stelle in der Mitte des Waggons, gleich neben dem Fahrschein-Automaten. Meine linke Hand berührte den Griff an der Wand und ab jetzt war es immer nur eine Frage der Zeit; besonders im Sommer! Ich spürte das Kribbeln, bevor meine Hände nass wurden – immer synchron – und binnen Sekunden schoss das Wasser aus allen Poren der Innenhand, später auch an den seitlichen Linien meiner Finger. Ich wechselte die Hand, damit ich die linke an meinem Kleidungsstück abwischen konnte. Bei der Schule angekommen, waren Hände, Füße und meine Achseln patschnass. So begann fast jeder Tag.

Anzeichen und Auswirkungen:

Erste Anzeichen mit leicht feucht werdenden Händen gab es bei mir  bereits im Volksschulalter. Mit Eintritt in die Pubertät wurde jeder Tag meines Lebens zu einem Alptraum. Ich beobachtete, ob die Menschen rund um mich oder jene, die mir begegneten, jemals irgendwelche Anzeichen einer derartigen Abnormität aufwiesen und da das nicht der Fall war, beschloss ich, dass das nie, nie, wirklich niemals jemand sehen darf! Ich war der festen Überzeugung, dass ich der einzige Mensch auf diesem Planeten bin, dessen Körper etwas macht, das die Menschheit noch nie gesehen hat. Dadurch empfand ich Angst, Scham, eine große Traurigkeit und sehr oft ein Gefühl von Minderwertigkeit. Das Schlimmste war: „Ich konnte selbst nichts dagegen tun und fühlte mich meinem Körper ausgeliefert!“, obwohl ich als Erwachsene in allen anderen Belangen ein selbst bestimmtes Leben führte. Und, es führte dazu, dass ich unter einer permanenten inneren Anspannung stand, ganz besonders im Berufsleben.

Wenig Erfolg mit Therapien in den 70er und 80er Jahren

Meine damalige Suche nach einer Therapie, die speziell meinen Berufsalltag etwas leichter machen sollte, war sehr schwierig. Es lag höchstwahrscheinlich daran, dass bei mir eine fokale Hyperhidrose mit Schweregrad 3 vorlag.

Im Jahr 1992 unterzog ich mich einer ETS (Durchtrennung der Ganglien im sympathischen Nervenstrang) und lebe heute mit mehreren Spätfolgen des Eingriffs; eine davon ist das sogenannten „reflektorische Schwitzen“, vielfach auch als kompensatorisches Schwitzen bezeichnet. In heißen Sommermonaten ist diese Form des Schwitzens nicht weniger belastend als die Grunderkrankung.

 

Wie wird abnormes Schwitzen normalerweise von der Gesellschaft gesehen?

 

Mit zwei Beispielen möchte ich anregen, sich das vorzustellen:

Eine Kundenberaterin im Sommerkleid mit Schweißrändern bis zur Taille, geschlossenen Schuhen und triefend nassen Händen?

Ein technischer Außendienst-Mitarbeiter, fachlich kompetent, aber während der Beratung ein durchgeschwitztes Hemd und bei der Verabschiedung eine patschnasse Hand (auch die überreichten Unterlagen sind angefeuchtet …..)

 

 

Vorstellbar, abstoßend, irritierend?

Schwitzen ist ein gesellschaftliches Tabu!! Menschen, die schwitzen sind Arbeiter mit schwerer körperlichen Tätigkeit oder Sportler bei heißen Außentemperaturen. Menschen, die schwitzen, sind unsicher und unterlegen…….. oder?

 

 

Öffentlichkeitsarbeit

Jeden Sommer, passend zur Jahreszeit, gibt es kurze Artikel im Gesundheitsteil von Tageszeitungen und in Gesundheitszeitungen zum Thema „Schwitzen“.

Über die Erkrankung „primäre Hyperhidrose“ wir immer noch sehr selten berichtet. Vielleicht liegt es daran, dass es in der Grundlagenforschung dazu nur wenig Neuigkeiten gibt.

Die Krankheit nimmt den Betroffenen aber viel an Lebensqualität und es würde wirklich sehr helfen, wenn andere mehr darüber erfahren könnten.

Auch Journalisten dürfen fragen! Mich und alle, die darüber sprechen möchten, wie der Alltag mit Hyperhidrose aussieht.

Wenn es gelingt, dass ein/e Hyperhidrotiker/in sagen kann: „Sorry, ich bin Hyperhidrotiker/in, ich würde mich heute gerne nur so verabschieden!“ und der übliche Händedruck auch einmal entfallen darf, dann haben wir gemeinsam die Welt für einige wenige um ein Vielfaches verbessert.

Das würde ich mir wünschen.

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